Forschungszentrum

Das Büro Das Zentrum widmet sich dem Studium und der Erforschung eines genuin amerikanischen Genres. Es steht in seiner Art einmalig da, denn selbst in Amerika gibt es keine vergleichbare Institution, welche mit einem interdisziplinären, kulturwissenschaftlich ausgerichteten Ansatz Literatur- und Filmwissenschaft, Kunst- und Sozialgeschichte verbindet.

Da viele Mitarbeiter und Mitglieder an Schulen und Universitäten lehrend tätig sind, ist das Forschungszentrum bei zahlreichen Veranstaltungen und in der Lehrerfortbildung präsent. Die dadurch erzielte Breitenwirkung dient einem vertiefenden Verständnis von Amerika, denn der Western muss als Indikator amerikanischer Befindlichkeiten, als Gradmesser gesellschaftlicher Prozesse und als rekurrierender Gründungsmythos begriffen werden. Damit ist das Genre in all seinen Ausformungen so aktuell wie nie zuvor.

Das Zentrum erforscht darüberhinaus den europäischen Western in seinen Funktionen als gesellschaftspolitische Kulisse und Freizeitgestaltung sowie in seiner Bedeutung für das Verhältnis zwischen Europa und Amerika.


Zu unserem Gegenstand

Der Western ist die älteste eigenständige Gattung der Vereinigten Staaten. Als Roman, Short Story, Drama und Hollywood-Western präsentiert er in ständiger Variation Amerikas Gründungsmythos, indem er die Geburt einer Nation, deren Vergesellschaftung und Identitätsstiftung aus den gewaltsamen Wehen des Konflikts zwischen Zivilisation und Wildnis zwar in einem historisierenden Kontext stattfinden läßt, sich jedoch gleichzeitig implizit oder explizit mit zentralen amerikanischen Ideen und deren Wechselwirkung mit jeweils zeitgenössischen gesellschaftlichen Problemen befaßt. Der Western ist demnach Diskussionsforum der amerikanischen Staatsform im Spannungsfeld zwischen Demokratie, Meritokratie, Feudalismus und drohender Anarchie und gleichsam eine in typischen Varianten sich präsentierende Erzählung über die Gründung einer Nation im Westen, die im Begriff ist, sich zu etablieren und zu legitimieren. Der Schauplatz des Western ist an der frontier angesiedelt, dort wo durch die Kollision von Wildnis und Zivilisation, Anarchie und law and order, territorialem Feudalismus und demokratischer Staatsbildung Amerika sich stiftet, seinen Nationalcharakter formt und sein politisches sowie ethisches System einer ständigen Prüfung unterzieht.


Der Western hat mit der sogenannten historischen Wirklichkeit der Eroberung, Besiedlung und Zivilisierung des "Wilden Westens" nur soviel gemein, wie es der literarischen Gattung der romance angemessen ist. Als Mythos ist der Western keine Geschichtsschreibung und auch nicht der Kategorie des historischen Romans zuzuordnen, sondern vielmehr Amerikas ureigene Variante des Abenteuer-, Gesellschafts- und Bildungsromans, welche auf die europäische Tradition der chivalric romance (Ritterromanze) zurückgeht und eine eigenständige historische Entwicklung durchläuft.

Nach dem Vorbild des amerikanischen Western (z. B. Cooper) entstand in Europa ein eigenständiges, jedoch derivatives literarisches Genre - der Amerikaroman und später der europäische Western, welche nationale Eigentümlichkeiten der entsprechenden Herkunftsländer betonen. Die Gesellschaft betrachtet es als ihre Aufgabe, neben dem amerikanischen Western diese mannigfaltigen Ausprägungen des populären Genres im europäischen Raum mit zu untersuchen, wobei der Gegenstand sowie dessen methodische Ansätze eine interdisziplinäre Forschung erfordern.